Anschnallpflicht in Deutschland: Was droht beim Fahren ohne Gurt?

Von Nicole P.

Letzte Aktualisierung am: 7. März 2024

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Für die meisten von uns ist der Griff zum Sicherheitsgurt nach dem Einsteigen in ein Auto ein automatisierter Prozess. Schließlich wurde uns von klein auf beigebracht, wie wichtig es ist, sich anzuschnallen. Was der Gesetzgeber im Detail zur Anschnallpflicht sagt und wann Ausnahmen gelten, erfahren Sie hier.

Bußgeldkatalog zur Anschnallpflicht

VerstoßBuß‌geld
Sie hatten während der Fahrt den vorgeschriebenen Sicherheitsgurt nicht angelegt.30,00 €
Sie nahmen in einem Kraftfahrzeug ein Kind mit, ohne für die vorschriftsmäßige Sicherung zu sorgen.30,00 €
Sie nahmen in einem Kraftfahrzeug mehrere Kinder mit, ohne für die vorschriftsmäßige Sicherung zu sorgen.35,00 €

FAQ: Anschnallpflicht

Gibt es in Deutschland eine Anschnallpflicht?

Ja, gemäß StVO müssen vorhandene Sicherheitsgurte während der Fahrt angelegt werden.

Existieren Ausnahmen bei der Gurtpflicht?

Der Gesetzgeber sieht in der StVO verschiedene Szenarien vor, in denen Sie auf das Anlegen eines Sicherheitsgurtes verzichten können. Hierbei handelt es sich zum Beispiel um Fahrten in Schrittgeschwindigkeit.

Was droht bei einem Verstoß gegen die Gurtpflicht?

Der Bußgeldkatalog sieht dafür mindestens ein Verwarngeld in Höhe von 30 Euro vor.

Wichtige Informationen zur Anschnallpflicht

Wissenswertes zur Gurtpflicht in Deutschland

Die Anschnallpflicht soll schwerwiegende Folgen bei einem Unfall verhindern.
Die Anschnallpflicht soll schwerwiegende Folgen bei einem Unfall verhindern.


Offiziell handelt es sich beim Sicherheitsgurt um ein sogenanntes Rückhaltesystem in Kraftfahrzeugen. Er dient dazu, die Insassen im Falle eines Unfalls oder eines abrupten Fahrmanövers im Sitz zu halten und somit zu verhindern, dass diese durch oder sogar aus dem Fahrzeug geschleudert werden.

Das Anlegen des Sicherheitsgurtes ist heute für fast jeden Fahrzeuginsassen verpflichtend und eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Daher kann es verwundern, dass die Anschnallpflicht bei ihrer Einführung in den Siebzigern für Unmut in der Bevölkerung sorgte.

Ein Blick auf die Unfallzahlen von 1970 zeigt, dass bei der Verkehrssicherheit ein enormer Handlungsbedarf bestand. Denn alleine in diesem Jahr waren laut dem Statistischen Bundesamt 19.193 Verkehrstote zu beklagen. Diese Zahl war höher als jemals zuvor und wurde in der Geschichte der Bundesregierung auch niemals wieder erreicht. Im Vergleich dazu kamen 2017 3.177 Menschen bei Unfällen im Straßenverkehr ums Leben. Dabei gilt es allerdings zu berücksichtigen, dass heutzutage im Vergleich zu 1970 mehr als dreimal so viele Fahrzeuge in Deutschland zugelassen sind.

Die Einführung der Anschnallpflicht ist somit vor allem auf diese erschreckenden Zahlen zurückzuführen. Bis zur Durchsetzung der flächendeckenden Gurtpflicht auf allen Sitzen sollten allerdings noch ein paar Jahre vergehen. Die wichtigsten Daten beinhaltet die nachfolgende Tabelle:

DatumEreignis
01. Januar 1974Einbaupflicht von Dreipunktgurten für die Vordersitze bei Neuwagen
01. Januar 1976Anschnallpflicht für Erwachsene auf den Vordersitzen
01. Mai 1979Einbaupflicht von Gurten für die Rücksitze bei Neuwagen
01. August 1984Anschnallpflicht für Erwachsene auf den Rücksitzen
01. Januar 1988Einbaupflicht von Dreipunktgurten für die äußeren Rücksitze bei Neuwagen
01. April 1993Einführung der Kindersicherungspflicht
01. Oktober 1999Einbaupflicht von Gurten für Reisebusse und Gurtpflicht für Reisende
01. Juli 2004Einbaupflicht von Dreipunktgurten für alle Rücksitze bei Neuwagen
Zwar bestand seit 1974 eine Einbaupflicht und seit 1976 auch die Anschnallpflicht, dennoch weigerten sich viele Autofahrer noch entschieden, den Gurt auch tatsächlich anzulegen. Dies lag wohl auch daran, dass die Missachtung lange kein Bußgeld nach sich zog. Denn dieses wurde erst 1984 eingeführt und betrug damals 40 Mark.

Im Video: Anschnallpflicht kurz erklärt

Infos zur Anschnallpflicht in Deutschland gibt’s im Video.
Infos zur Anschnallpflicht in Deutschland gibt’s im Video.

Was besagt die Anschnallpflicht und welche Ausnahmen gelten?

Die gesetzliche Grundlage zur Anschnallpflicht bildet die Straßenverkehrs-Ordnung. In § 21a Abs. 1 StVO heißt es dazu:

Vorgeschriebene Sicherheitsgurte müssen während der Fahrt angelegt sein;

Das Fahren ohne Gurt ist in Deutschland nur in wenigen Ausnahmefällen gestattet.
Das Fahren ohne Gurt ist in Deutschland nur in wenigen Ausnahmefällen gestattet.

Allerdings führt der Gesetzgeber direkt im Anschluss diverse Ausnahmen für die Gurtpflicht auf. Die wichtigsten davon stellen wir Ihnen kurz vor. Eine Befreiung von der Anschnallpflicht existiert zum Beispiel für Personen beim sogenannten „Haus-zu-Haus-Verkehr“. Dabei handelt es sich unter anderem, um Paketzusteller oder sonstige Lieferanten, die immer wieder anhalten und aussteigen müssen, um ihre Ware beim Kunden zuzustellen.

Laut StVO können Sie unter Umständen auch auf das Anschnallen verzichten, wenn Sie beim Rückwärtsfahren oder bei Fahrten auf Parkplätzen in Schrittgeschwindigkeit unterwegs sind. Allerdings ist diese Ausnahme vor allem für kurze Strecken gedacht und nicht etwa, wenn Sie längere Zeit nach einem geeigneten Parkplatz suchen.

Eine weitere Ausnahme für die Gurtpflicht stellen Fahrten in Kraftomnibussen dar, bei denen die Beförderung stehender Fahrgäste zulässig ist. Hiermit sind vor allem die Busse des öffentlichen Nahverkehrs gemeint. Darüber hinaus erlaubt der Gesetzgeber das kurzzeitige Abschnallen in Reisebussen, um zum Beispiel während der Fahrt den Sitzplatz zu wechseln oder die Toilette aufzusuchen.

Lange Zeit galt eine Ausnahmeregelung der Anschnallpflicht auch für Taxifahrer. Diese stammte aus den Siebzigern und sollte dem Fahrer im Falle eines gewalttätigen Übergriffs eine schnellere Flucht ermöglichen. Da mittlerweile von schweren Verkehrsunfällen ein höheres Risiko ausgeht, wurde die Sonderregelung zum 30.10.2014 abgeschafft.

Welche Regelungen zur Gurtpflicht gelten für Kinder?

Kinder auf dem Beifahrersitz oder der Rückbank: Zusätzlich zum Gurt ist ein Kindersitz notwendig.
Kinder auf dem Beifahrersitz oder der Rückbank: Zusätzlich zum Gurt ist ein Kindersitz notwendig.

Für Kinder gilt ebenfalls die allgemeine Anschnallpflicht. Darüber hinaus gelten für den Transport von Kindern in Autos allerdings noch weitere Vorgaben. Diese sind unter der Bezeichnung „Kindersicherungspflicht“ zusammengefasst und thematisieren vor allem die Verwendung von Kindersitzen und Babyschalen.

Diese Rückhalteeinrichtungen sind notwendig, weil der Sicherheitsgurt alleine in der Regel nicht ausreicht, um die Verkehrssicherheit von Kindern im Auto zu gewährleisten. Daher gilt für Kinder bis zum Alter von 12 Jahren oder einer Körpergröße von mindestens 150 cm zusätzlich zur Gurtpflicht auch eine Kindersitzpflicht.

Viele Eltern fragen sich auch, welcher Sitzplatz im Auto am besten für ihren Nachwuchs geeignet ist. Grundsätzlich bietet die Rückbank den meisten Schutz bei einem Unfall, aber es ist auch möglich, Kinder auf dem Beifahrersitz zu transportieren. Prüfen Sie aber im Voraus, ob Ihr Kindersitz für eine solche Verwendung ausgerichtet ist. Zudem ist beim Einbau einer entgegen der Fahrtrichtung montierten Babyschale unbedingt der Airbag auszuschalten.

Auch in der Schwangerschaft hat die Anschnallpflicht weiterhin Bestand. Allerdings sollten werdende Mütter beim Anschnallen darauf achten, dass der Beckengurt tief unterhalb des Bauches liegt und der Schultergurt zwischen den Brüsten verläuft.

Droht ein Bußgeld, wenn Sie nicht angeschnallt sind?

Bei einem Verstoß gegen die Gurtpflicht droht ein Verwarngeld.
Bei einem Verstoß gegen die Gurtpflicht droht ein Verwarngeld.

Bei der Missachtung der Anschnallpflicht drohen Sanktionen gemäß Bußgeldkatalog. Nutzen Sie während der Fahrt den Gurt nicht, zieht dies daher ein Verwarngeld in Höhe von 30 Euro nach sich. Dabei gilt der Grundsatz, dass jeder volljährige Fahrzeuginsasse selbst dafür verantwortlich ist, für eine vorschriftsgemäße Sicherung zu sorgen.

Ist ein Beifahrer also nicht angeschnallt, muss dieser für das Verwarngeld aufkommen. Anders gestaltet sich dies allerdings bei der Beförderung von Kindern. Denn in einem solchen Fall haftet der Fahrzeugführer. Dies gilt auch dann, wenn sich der Nachwuchs während der Fahrt selbst abschnallt. Der Bußgeldkatalog sieht in diesem Fall ebenfalls ein Verwarngeld von 30 Euro vor. Befördern Sie mehrere Kinder ohne die Einhaltung der Gurtpflicht, erhöht sich das Verwarngeld auf 35 Euro.

Werden Sie bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung geblitzt und sind dabei nicht angeschnallt, liegen zwei Verkehrsverstöße vor. Allerdings müssen Verkehrssünder in einem solchen Fall meist nur mit den Sanktionen für den schwerwiegenderen Verstoß rechnen. Dies ergibt sich aus dem Prinzip der Tateinheit (§ 52 Strafgesetzbuch).

Grundsätzlich besteht auch die Möglichkeit, dass Sie Ihren Hund anschnallen. Im Fachhandel können Sie dafür spezielle Geschirre erwerben. Gesetzlich vorgeschrieben ist eine Anschnallpflicht für Tiere allerdings nicht. Denn rein rechtlich gelten diese als Gegenstände, sodass die Vorgaben der Ladungssicherung Anwendung finden.
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Über den Autor

Nicole
Nicole P.

Nicole ist seit 2016 Mitglied bussgeldkataloge.de-Teams. Sie absolvierte zuvor ein Studium der Buchwissenschaft und Kulturanthropologie an der Uni Mainz. Zu ihren thematischen Schwerpunkten zählen u. a. Verkehrserziehung und Verkehrssicherheit sowie die Verkehrsregeln im Ausland.

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